Parodontitis-Behandlung

Nahezu jeder zweite Erwachsene leidet an Parodontitis, einer Entzündung des Zahnhalteapparates. Bei den Senioren sind 6 von 10 betroffen. Bleibt eine solche Entzündung über längere Zeit unbehandelt bestehen, kann sie zum schrittweisen Abbau der Kieferknochen führen. Dann finden Zähne keinen Halt mehr und fallen aus.

Ein Risiko für den gesamten Körper

Zahngesundheit: Parodontitis kann Krankheiten verursachen und verschlimmern – Umfangreiche Behandlung und „Erhaltungstherapie“ sind im Anschluss notwendig

Die Krankheit beginnt mit einer ungenügenden Zahn- und Mundhygiene und kann unbehandelt bis zum Verlust der Zähne führen: Parodontitis, wie die bakteriell bedingte Entzündung des Zahnhalteapparates genannt wird, betrifft immerhin jeden Zweiten. Was viele nicht wissen: Bakterien aus dem Mund können sich im übrigen Körper verbreiten und dort zu Erkrankungen führen, deren Ursache meist nicht im Mund gesucht wird.

Eine Parodontitis ist eine bakteriell bedingte Entzündung des Zahnhalteapparates, die im Gegensatz zur Gingivitis, der reinen Zahnfleischentzündung, auch Knochenabbau zur Folge hat, erklärt der Zahnarzt und Parodontologe Dr. Mirko Solderer, der Spezialist für Parodontologie der österreichischen Gesellschaft für Parodontologie ist. Die Krankheit verläuft meist langsam und schleichend, sodass sie häufig erst spät bemerkt wird. „Sie tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf und hat dann häufig einen mittelschweren Verlauf“, erklärt Dr. Solderer. „In seltenen Fällen kann es aber auch schon im Jugendalter zu sehr schnell und aggressiv verlaufenden Formen kommen.“ Man schätzt, dass etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen unter einer schweren Parodontalerkrankung leiden. Sie muss unbedingt behandelt werden, will man seine Zähne erhalten.

Hauptursache für die Parodontitis ist ein bakterieller Zahnbelag auf der Zahnoberfläche. Dieser Plaque bzw. Biofilm besteht aus komplex aufgebauten Schichten und enthält Eiweiße, Kohlenhydrate und Mikroorganismen. Wird dieser Belag über Tage und Wochen wegen einer unzureichenden Zahnpflege nicht entfernt, entsteht zum einen Zahnstein, der sich mit der Zahnbürste nicht mehr entfernen lässt und zum anderen sorgen die Keime auf den Zähnen für eine Entzündung des Zahnfleisches: Es ist geschwollen, gerötet und blutet bei Berührung – Symptome, die die Zahnpflege zusätzlich erschweren.

Wird die Entzündung zu diesem Zeitpunkt richtig behandelt, bildet sie sich zurück. „Besteht eine Zahnfleischentzündung aber über längere Zeit weiter, kann die Entzündung auf den Zahnhalteapparat übergreifen“, erklärt Dr. Solderer. Dann geht die Gingivitis in eine Parodontitis (früher Parodontose) über. Mit der Zeit löst sich die Verbindung zwischen Zahn und Zahnfleisch und es entsteht ein Zwischenraum, die Zahnfleischtasse. Dort finden Bakterien, die im Mund vorkommen, einen idealen Lebensraum. „Als Reaktion auf Bakterien und Entzündung baut der Körper als Schutzmechanismus den Kieferknochen schrittweise ab“, sagt der Facharzt. Dieser Vorgang verläuft in der Regel langsam, meist über Jahre und ist häufig nicht schmerzhaft. Daher bleibt die Krankheit oft unbemerkt. „Der weitere Krankheitsverlauf führt zu einer erhöhten Zahnbeweglichkeit und zu Zahnwanderungen. Ist der Zahnhalteapparat zerstört, findet der Zahn keinen Halt mehr und fällt aus.“

Risikofaktor für andere Erkrankungen

Bakterien, die sich im Mundraum ausbreiten, haben aber nicht nur Auswirkungen auf die Zähne und das Zahnbett: Sie können über den Blutkreislauf auch in den übrigen Körper gelangen und fernab vom eigentlichen Infektionsherd die Gesundheit negativ beeinflussen. So ist bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes, Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises und sogar Frühgeburten besteht.

Auch ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und schweren Covid-19-Verläufen wurde erst vor Kurzem bestätigt. So hatten Covid-19-Patienten mit Parodontitis im Vergleich zu Patienten ohne Parodontitis fast 9-mal häufiger Komplikationen bis hin zum Tod entwickelt, 3,5-mal häufiger wurden sie auf die Intensivstation eingeliefert und bedurften dabei 4,5-mal häufiger ein Beatmungsgerät.

Es zahlt sich deshalb auf jeden Fall aus, seine Zähne und seinen Mundraum präventiv sorgfältig zu reinigen und zu pflegen oder, wenn bereits Entzündungen aufgetreten sind, diese rechtzeitig zu behandeln.

Die Behandlung von Parodontitis ist umfangreich und langwierig, da die biologischen Heilungsprozesse des Körpers abgewartet werden müssen. Je nach Schweregrad kann sie unter Umständen mehrere Monate dauern. „Nach eingehender Befunderhebung und Diagnostik wird zunächst die Mundhygiene trainiert und die Zähne oberhalb des Zahnfleischsaumes gereinigt“, erklärt Dr. Solderer. Eine gute Mundhygiene ist nämlich Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Die Bakterien, die Ursache der Entzündungen sind, müssen so gut wie möglich aus dem Mund eliminiert werden, um eine möglichst gesunde Mundflora wiederherzustellen. Auch eine Raucherentwöhnung sollte angestrebt werden, denn Rauchen erhöht das Risiko für eine Parodontitis und erschwert auch ihre Heilung.

„Erhaltungstherapie“ danach sehr wichtig

Ist eine gute häusliche Mundhygiene hergestellt, folgt eine Tiefenreinigung der Zahnfleischtaschen unter Lokalanästhesie. In einigen Fällen sei sogar eine begleitende Antibiotika-Gabe indiziert, erklärt der Zahnarzt. Nach etwa 3 Monaten erfolgt eine Nachkontrolle. „Sollten dann noch Restprobleme bestehen, kann der Zahnarzt einen chirurgischen Eingriff vornehmen, der das Ziel hat, bestehende Zahnfleischtaschen zu eliminieren und wenn möglich, das Gewebe zu regenerieren.“ Sehr wichtig ist danach eine „Erhaltungstherapie“: Ist die aktive Parodontitistherapie abgeschlossen, tritt der Patient in den Recall-Zyklus ein. Je nach Risikoprofil kommt er 2- bis 4-mal zur Kontrolle und zur professionellen Zahnreinigung in die Praxis.



Interview in den DOLOMITEN „Die Entzündung stoppen und die Zähne möglichst erhalten“

Dr. Solderer über neue Techniken in der Behandlung – Implantatlösung, wenn Zähne verloren gehen. Die Behandlung einer Parodontitis gehört in die Hände von Experten. Sie wissen auch um neueste wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethoden, erklärt der Zahnarzt Dr. Mirko Solderer.

„Dolomiten“: Welche Neuheiten gab es in den vergangenen Jahren in der parodontalen Therapie?

Dr. Mirko Solderer: In den vergangenen Jahren haben sich vor allem die dentalen Laser weiterentwickelt. Sie bilden heute eine wirkungsvolle Ergänzung in der Parodontitistherapie. Laser ist nichts anderes als elektromagnetische Energie, die wir nutzen, um Gewebe gezielt zu behandeln. So kann eine Dekontamination der Zahnfleischtaschen auf schonende und schmerzfreie Art erreicht werden. Das ist auch ein großer Vorteil für den Patienten: Er spürt von der gesamten Lasertherapie nichts. Ein weiterer vorteilhafter Wirkmechanismus ist die Biostimulation, die das geschädigte Gewebe zur Regeneration und zur schnelleren Wundheilung anregt. Dadurch werden Schmerzen nach der Therapie minimiert.

„D“: Kann man Parodontitis also auch nur mit Laser behandeln?

Dr. Mirko Solderer: Nein, die wissenschaftlichen Empfehlungen raten zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht zum alleinigen, sondern zu einem zusätzlichen Einsatz des Lasers neben der herkömmlichen Parodontaltherapie. Unterm Strich ist der Mehrwert für den Patienten ein erhöhter Therapieerfolg bei deutlich reduzierten Schmerzen und Beschwerden und schnellerer Heilung.

„D“: Kann man verloren gegangenen Knochen wiederherstellen?

Dr. Mirko Solderer: Unter optimalen Voraussetzungen kann durch modernste Geweberegeneration, im Rahmen eines kleinen chirurgischen Eingriffs, verloren gegangener Knochen wiederaufgebaut werden. Dabei kommen Materialien, wie Knochenersatzstoffe, resorbierbare Membrane und Schmelzmatrixproteine zum Einsatz. Idealerweise kommt es so zu einer völligen Regeneration des Knochendefekts.

„D“: Wenn durch Parodontitis einzelne Zähne verloren gegangen sind: Sind Implantate ein geeigneter Zahnersatz für diese Patienten?

Dr. Mirko Solderer: Die Antwort lautet „Ja, aber“. Damit ein Implantat erfolgreich eingesetzt werden kann, ist eine abgeschlossene Vorbehandlung der Parodontitis Voraussetzung. Nur dadurch ist eine Insertion des Implantates in gesundes Gewebe und eine langlebige Versorgung gewährleistet. Zudem ist es sehr wichtig, dass man die regelmäßigen Kontrolltermine beim Parodontologen wahrnimmt, um mögliche Entzündungen am Implantat zu vermeiden. War die Parodontitis und der einhergehende Knochenabbau bereits sehr weit fortgeschritten, kann es sein, dass simultan mit der Insertion des Implantates ein Knochenaufbau nötig wird. Implantate haben heute, nach über 30 Jahren Erfahrung damit, in den Händen eines Spezialisten eine Erfolgschance von über 95 Prozent. In vielen Fällen stellen sie die beste Möglichkeit dar, verlorene Zähne zu ersetzen und so Zahnlücken zu schließen.

„D“: Und wenn die Parodontitis so weit fortgeschritten ist, dass kein Zahn mehr zu retten ist?

Dr. Mirko Solderer: Bei Patienten, die sehr spät mit ihrer Parodontitis zum Zahnarzt kommen, kann es vorkommen, dass keine Zähne mehr erhalten werden können. Dann ist es wichtig, diese zu entfernen, um die chronische Entzündung und den damit verbundenen Knochenabbau zu stoppen. Auch hierbei kann die moderne Implantologie dem Patienten wieder ein Lächeln in das Gesicht zaubern – und das oft nur an einem einzigen Tag. Es werden in den meisten Fällen zwischen 4 und 6 Implantate eingesetzt und anschließend mit einer festsitzenden Zahnbrücke versorgt. Einen Knochenaufbau kann man hier durch besondere Positionierung der Implantate sehr oft umgehen. Solche Eingriffe werden meist in Sedierung durchgeführt, der Patient bekommt so von der Behandlung nichts mit.

Symptome: Kann man eine Parodontitis erkennen?

Folgende Veränderungen können Anzeichen einer Erkrankung sein: Auch bei familiärer Häufung von Parodontitis oder der Partner erkrankt ist, sollten Sie spätestens beim Vorliegen dieser Symptome einen Parodontologen aufsuchen.

Die Anatomie des Zahnes

Der sichtbare Teil des Zahnes ist die Zahnkrone. Mit der Zahnwurzel ist der Zahn im Kieferknochen verankert und sorgt zusammen mit dem Zahnhalteapparat – dem Stützgewebe aus Alveolarknochen, Zahnfleisch, Wurzelhaut und Zahnzement, das den Zahn umhüllt – für einen stabilen Halt für den Zahn. Der Übergang zwischen Krone und Wurzel wird als Zahnhals bezeichnet.

Die oberste Schicht der Zahnkrone ist der Zahnschmelz. Er ist die härteste Substanz im Körper, also härter als es Knochen sind, und er wächst nicht nach. Der Zahnschmelz besteht aus dem Mineral Kalziumphosphat und Spurenelementen wie Magnesium und Fluor. Er schützt das Innere der Zahnkrone.

Unter dem Zahnschmelz liegt das Zahnbein, das Dentin, das sich bis in die Wurzelspitzen erstreckt und den größten Teil der Zahnsubstanz ausmacht. Auch das Zahnbein ist härter als ein Knochen, allerdings wächst er mit der Zeit nach. Es umschließt das Zahnmark und besteht aus Kalzium und Phosphat sowie aus organischen Substanzen und aus Wasser.

Das Zahnmark ist eine Art Bindegewebe, in dem sich Blutgefäße, Lymphgefäße und Nervenfasern befinden. Über das Zahnmark werden die Zähne mit Nährstoffen versorgt.

Dieser Artikel erschien am 14. April 2023 in den DOLOMITEN (PDF Download).